Die Polen und das Hambacher Fest 1832
Vom 27.–29. Mai 1832 kam es zu einer der prägendsten Veranstaltungen für die europäische Demokratie- und Nationalstaatenbewegung. Das Hambacher Fest war um ein Vielfaches größer und internationaler, als erwartet. Einen besonderen Platz nahm dabei die polnische Delegation ein, welche – wie die deutschen Teilnehmer – einen eigenen freien Nationalstaat forderte.
Europa im 19. Jahrhundert
Europa war zu jener Zeit zwischen zwei politischen Gruppen gespalten: die alteingesessenen Aristokraten mit ihren Herrschertiteln durch Geburtsrecht und die national-liberale Bewegung, welche Wahlen, Meinungsfreiheit und die Souveränität für alle Völker forderte. Jedoch war diese demokratische Bewegung nicht homogen und aufgrund ihres liberalen Charakters sehr vielseitig.

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Diese Ordnung zwischen Aristokraten und Demokraten existierte in ähnlichen Ausprägungen schon viel länger, allerdings hatten die demokratischen Bewegungen durch die Gründung der USA und die Napoleonischen Kriege neuen Aufwind bekommen.
Des Weiteren motivierten die damaligen Monarchen ihre Untertanen mit falschen Versprechen für den gemeinsamen Kampf gegen Napoleon und führten statt Selbstbestimmung nur die alte Ordnung wieder ein.
Dieser Wunsch nach einer Veränderung und die Verweigerung der Aristokraten begründeten somit den Anfang für ein neues politisches Streben, welches zum Völkerfrühling führen sollte.
Der Beginn des Völkerfrühlings
Als Völkerfrühling bezeichnet man die europaweite Bewegung, die für politische Einheit, politische Freiheit und Völkerfreundschaft, also internationale Verbundenheit, stand. Sie war die Gegenbewegung zur Restauration, der Wiederherstellung der Verhältnisse vor der Französischen Revolution.
„[…] dem Deutschen Volke als Zeichen seiner aufrichtigsten Achtung und Dankbarkeit für die brüderliche Aufnahme, die ihm und seinen unglücklichen Landsleuten bei demselben auf ihrer Pilgerschaft geworden.“ – Adam Mickiewicz
Das Wartburgfest 1817 setzte den Anfang mit seiner Kritik am vorherrschenden System. 1830 kam es mit der Julirevolution in Frankreich zu einem ersten Beben, welches in Europa viele politische Akteure motivierte, zu handeln. Daraus resultierend kam es in Polen, noch im selben Jahr, zum Novemberaufstand.
Der polnische Novemberaufstand
Nach drei Teilungen waren alle polnischen Gebiete im Russischen Zarenreich, Österreich und Preußen aufgegangen. Diese Abhängigkeit sollte 123 Jahre dauern und wurde eine der prägendsten Epochen der polnischen Geschichte.

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Aufgrund ihres Durchhaltewillens für den Erhalt ihrer Sprache, Kultur und Identität wurden die Polen, obwohl sie keinen eigenen Staat mehr hatten, in ganz Europa als Vorbild gesehen.
Der Novemberaufstand von 1830 markierte vorerst die größten Bemühungen zur Neugründung eines souveränen Polens in Mitteleuropa. Der Aufstand wurde vom Zarentum mit aller Härte niedergeschlagen, und viele Polen flohen ins Ausland, oft nach Deutschland und Frankreich.
Polenbegeisterung
Die Polenbegeisterung schlug sich schnell in Europa nieder. Die Polen waren Vorbilder für ihren Freiheitsdrang und gerne bei den freiheitsliebenden Europäern gesehen.
Besonders in Deutschland bewunderte man die Polen. So wurde die polnische Konfederatka ein Teil mancher deutscher Studentenverbindung, und das Liedgut wurde um viele den Polen gegenüber freundlichen Lieder erweitert.

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Die Gastfreundschaft der Deutschen gegenüber den Polen war so groß, dass der bekannte polnische Autor Adam Mickiewicz den Deutschen folgende Zeilen in den deutschen Ausgaben seiner Bücher des polnischen Volkes (1833) widmete:
„[…] dem Deutschen Volke als Zeichen seiner aufrichtigsten Achtung und Dankbarkeit für die brüderliche Aufnahme, die ihm und seinen unglücklichen Landsleuten bei demselben auf ihrer Pilgerschaft geworden.“
Es zeigen sich viele Gemeinsamkeiten: Sowohl die Polen als auch die Deutschen wurden von Monarchen regiert und wollten einen eigenen Nationalstaat haben.
Zwar gab es auch polnische Länder unter der Herrschaft deutscher Aristokraten, aber diese waren ohnehin auch die Gegenspieler der deutschen national-liberalen Bewegung und hatten dazu im Vergleich zu Russland den viel kleineren Anteil.
Polen und Deutsche waren Weggefährten für die gleichen Ideale in Europa.
„Hoch leben die Polen, der Deutschen Verbündete!“
Das Hambacher Fest von 1832 brachte viele verschiedene politische Akteure zusammen. Zusammenfassend verkörperte das Fest sowohl das Interesse an einem eigenen freien Staat als auch den Wunsch nach internationaler Freundschaft.
Insgesamt gab es 20.000–30.000 Teilnehmer. Der Abschluss der Rede Siebenpfeiffers, eines der Hauptorganisatoren des Festes, steht stellvertretend für den Geist des Festes:
„Es lebe das freie, das einige Deutschland!
Hoch leben die Polen, der Deutschen Verbündete!
Hoch leben die Franken (Franzosen), der Deutschen Brüder, die unsere Nationalität und Selbstständigkeit achten!
Hoch lebe jedes Volk, das seine Ketten bricht und mit uns den Bund der Freiheit schwört!
Vaterland – Volkshoheit – Völkerbund hoch!“

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Im Kontext der deutsch-polnischen Verbundenheit ist ein Moment ganz besonders gewesen: Als zum ersten Mal die Schwarz-Rot-Goldene Fahne, mit ihrer Aufschrift „Deutschlands Wiedergeburt“, gezeigt wurde, trat sie gemeinsam mit der Weiß-Roten Fahne der polnischen Delegation auf.
Beide wurden nebeneinander auf dem Hambacher Schloss gehisst. Ein Höhepunkt, der auch auf Gemälden zum Hambacher Fest verewigt ist.
Die polnische Souveränität
Trotz des unermüdlichen Drangs nach Freiheit gelang es den Polen auch nach weiteren Aufständen, wie im Januaraufstand von 1863, nicht, die eigene Souveränität wiederherzustellen.
Erst mit dem Beginn des Ersten Weltkrieges 1914 tat sich wieder eine Chance auf, die von den Mittelmächten versprochen wurde.
Die Erschaffung eines polnischen Staates, frei von anderen Mächten, war das Ziel der polnischen Legionen, die an der Ostfront gegen das russische Zarenreich kämpften.

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Jedoch verloren die Mittelmächte das Vertrauen der polnischen Legionen, da die Umsetzung eines polnischen Staates nur halbherzig begann und an die Interessen von deutschen und österreichisch-ungarischen Aristokraten gebunden sein sollte.
Durch die Niederlage der Mittelmächte im Ersten Weltkrieg 1918 und die zeitgleiche Entstehung des polnischen Staates sollten andere Themen in den Vordergrund rücken.
Die alten positiven Ereignisse, die gemeinsamen Ideale und Ziele, die Freundschaft und Empathie, die Deutsche und Polen verbanden, wurden vergessen.
An ihre Stelle sollten Gebietsstreitigkeiten und ein Narrativ der ewigen Feindschaft treten, welche faktisch nicht bestand.
Die polnisch-deutsche Freundschaft
Deswegen ist die Erinnerung an die positiven Ereignisse so wichtig. Sie zeigen, dass Polen und Deutsche viele Gemeinsamkeiten haben, dass sie gleiche Werte verteidigten, nebeneinander und zusammen lebten und sich gegenseitig schätzten und respektierten.
Auch zeigen sie auf, dass Deutschland und Polen voneinander stark profitiert haben, dass sie Bündnisse schlossen, Handel betrieben und Freundschaften besiegelten.
Im Völkerfrühling verstanden sich beide als Verbündete mit gleichen Zielen und gleichem Schicksal und wünschten dem anderen sein eigenes Vaterland, seine Volkshoheit und einen Platz im Völkerbund.